Predigt zum 28.2.16 j.kohtz

Predigt 28.2.16

Liebe Gemeinde
bei einem Bibelgespräch in den letzten Tagen auf einem Dorf kamen wir auf die Bedrohungen und Gefahren zu sprechen, denen wir ausgesetzt sind und was wir dagegen tun können.
Schnell waren wir bei den Dingen, die wir alle kennen: Krankheiten, Naturkatastrophen wie z.B. Hochwasser aber auch der Mangel an Gemeinschaft wurden genannt.
Uns fielen dann auch einige Möglichkeiten ein, diese Gefahren abzuwehren. Bei Krankheiten zum Beispiel Medizin, wenn anderes nicht mehr hilft. Aber auch ein gesunder Lebensstil, der uns vorbeugend vor möglichen sogenannten Zivilisationskrankheiten bewahren kann.
Im Grunde wissen wir alle, dass wir uns im Durchschnitt zu wenig bewegen, zu viel essen und zu viel sitzen. Das Tückische ist, dass es uns meist nicht auffällt, auch, weil ja die meisten, die wir kennen, sich so verhalten wie wir es tun. Alte Gewohnheiten lassen sich sehr schwer ändern. Immerhin – viele nutzen die 40 Tage der aus christlicher Tradition stammenden Fastenzeit, um mal was anderes auszuprobieren. Einige üben Konsumverzicht, andere wollen abnehmen und wieder andere was neues ausprobieren.

Spannend wurde das Gespräch auch beim Thema Gemeinschaft. Der Mangel an Gemeinschaft wurde beschrieben: Man kennt kaum noch die Nachbarn, weil die weit weg tagsüber arbeiten, und Treffpunkte und Gelegenheiten, einfach mal ungezwungen sich zu unterhalten, gibt es auch kaum noch. Der Konsum im Dorf hat längst geschlossen, der Bäcker hat aufgegeben, die Kneipe ist zu. So zieht man sich in seine vier Wände zurück, und hat ja sowieso genug zu tun. Garten, Haus, diverse Hobbies…und nicht zuletzt die Familie fordern ihre Zeit.
Alle sind beschäftigt, aber die gegenseitige Wahrnehmung hat nachgelassen.
So scheint jeder sein Ding zu machen. Wie gesagt: Das war ein Eindruck von Menschen, die auf dem Dorf leben.

Wer diktiert eigentlich, wie wir uns verhalten können? Nun, der Alltag, die Gewohnheiten und Pflichten, die Arbeit. Und nicht zuletzt: Unsere Gesundheit.
Dies alles könnten wir zusammenfassend als Fakten bezeichnen. Tatsachen, die einen hohen Einfluss auf unser Leben und Verhalten haben.
Aber neben den sogenannten Fakten treten doch noch weitere wichtige Dinge. Es ist der Bereich der Ansichten, der Ideale, und der Erfahrungen, und es ist bei vielen Menschen die Religion bzw. der Glaube.
Und hier setzt auch unser Predigttext an. Es ist ein Abschnitt aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Ephesus. Er hat sie wahrscheinlich selbst gegründet und so liegt ihm ihre Entwicklung sehr am Herzen.
Er schreibt (Kap.5,1-8): Ihr seid Gottes geliebte Kinder, daher sollt ihr in allem seinem Vorbild folgen. Geht liebevoll miteinander um, so wie auch Christus euch seine Liebe erwiesen hat. Aus Liebe hat er sein Leben für uns gegeben. Und Gott hat dieses Opfer angenommen. Ihr gehört zu Gott. Da passt es selbstverständlich nicht mehr, sexuell zügellos zu leben, über die Stränge zu schlagen oder alles haben zu wollen. Ihr sollt nicht einmal darüber reden! Genauso wenig ist Platz für Klatsch, Sticheleien und zweideutiges Gerede. Vielmehr sollt ihr Gott danken und ihn loben. Denn eins ist klar: Wer ein ausschweifendes, schamloses Leben führt, für den ist kein Platz in der neuen Welt, in der Gott und Christus herrschen werden. Das gilt auch für alle, die von Habgier besessen sind; denn solche Menschen beten ihre eigenen Götzen an. Lasst euch von niemandem verführen, der euch durch sein leeres Geschwätz einreden will, dass dies alles harmlos sei. Gottes Zorn wird alle treffen, die ihm nicht gehorchen. Darum meidet solche Leute! Früher habt auch ihr in Dunkelheit gelebt; aber heute ist das anders: Durch den Herrn seid ihr im Licht. Darum lebt nun auch wie Kinder des Lichts! Ein solches Leben führt zu aufrichtiger Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

So! Alles klar?
Vielleicht sortieren wir einmal, was dem Apostel wichtig ist:
Wir haben ein Vorbild, dem wir folgen sollen. Das ist Christus.
Die Orientierung an ihm, sprich die Nachfolge, hat Auswirkungen auf uns: Christen weisen bestimmte Qualitäten auf. Und es hat Folgen für unser Verhalten.

Unsere Welt ist voller Vorbilder, voller Konzepte, voller Ideale. Als Christ kann man schon mal fragen: Was daran ist denn noch christlich. Und man kann fragen, ob sich christliche Ideale heute überhaupt noch im Stimmengewirr der Meinungen durchsetzen können. Aber es gab auch Leute, die diese Nachfolge sehr ernst genommen haben. Auch an denen können wir uns orientieren: Franz von Assisi zum Beispiel verdeutlicht eindrücklich das Armutsideal.
Graf Zinzendorf (in unsrer Region kein Unbekannter) kann als Vorbild christlicher Frömmigkeit gelten und die „Jesus people * lebten das Ideal der Freundlichkeit.
ARMUT (als bewußter Verzicht!), FRÖMMIGKEIT, FREUNDLICHKEIT.
Drei Ideale – heute wie auch schon vor Jahrhunderten eher von einer Minderheit vertreten und gelebt.

Aber- wie ich finde – nach wie vor attraktiv! Da ist eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau, die merkt, dass dies nicht ihr Lebensziel ist, reich zu sein. Sie sucht mehr Sinn, mehr Erfüllung, und sie merkt, dass Konsum ihr das nicht bieten kann. Sie steigt aus. Sucht sich einen Ort und Menschen, die wie sie vom Leben mehr erwarten. Mit ihnen zusammen lebt sie und spürt so etwas wie Erfüllung!
Da sind dieser Tage Menschen, die spüren, das Hass und Gewalt tiefe Verletzungen bei Menschen verursachen. So banal es klingen mag: In vielen Situationen brauchen wir in unsrer Gesellschaft mehr Freundlichkeit. Das kann uns die Augen öffnen, kann Hoffnung geben, und befreit aus dem Zwang von Gewalt und Gegengewalt.
Und die gelebte Frömmigkeit von Papst Franziskus kann Brücken bauen und Vertrauen schaffen für viele verunsicherte Christen.

Aber im Text des Apostels steckt noch mehr drin:
sein JA zur Güte, zum Wohl des anderen
sein JA zur Wahrheit, die den anderen zu seinem Recht kommen läßt
sein NEIN zur Sexualität als Konsum, zum Partner als Ware
sein NEIN zur Lüge – also einer Sprache, die bewußt Verunsicherung schafft
sein NEIN zum Geld als Instrument der Unterdrückung und Ungerechtigkeit

Was für ein Anspruch! Gut zu wissen, dass der Apostel Paulus seine Predigt nicht an die große Welt richtet. Er ist kein Weltverbesserer. Er richtet sich in seinem Brief an die Gemeinde. Diese Gemeinde fand das Gemeinsame in ihrem Glauben an Christus. Das verband sie. Und das grenzte sie in gewisser Weise ab von vielen anderen Zeitgenossen. Aber wohl darin empfanden viele Gemeindeglieder die zum Teil schmerzhafte Spannung ihres Alltags. Wer will denn schon außen vor sein. Vielleicht als Sonderling gelten?
Die Geschichte zeigt, die Gemeinschaften der Christen waren immer wieder durch diese Spannung zwischen christlichem Anspruch und weltlichen Idealen herausgefordert. Martin Luther selbst war es, der seine Kirche heftig kritisiert hat, weil sie nach seiner Ansicht zu sehr in weltliche Machenschaften und Interessenkonflikte verstrickt war. Wo blieb die Orientierung an Christus?!?
Auch heute ist diese Frage aktuell. Sie bekommt sogar noch eine besondere Note durch den Umstand, dass nun auch viele streng religiös geprägte Menschen aus dem Mittelmeerraum zu uns kommen. Christen genauso wie Moslems. Und erneut wird die Frage heftig diskutiert: Welche Maßstäbe im Miteinander sollen für uns hier in Deutschland gelten?

Paulus weiß, aus eigenem Bestreben sind wir als Christen schnell überfordert. Und so ist sein Brief kein Appell sondern vielmehr eine Einladung. Eine Einladung, wie die Kinder des Lichts zu leben. Dies ist möglich, wenn unser Leben vom Vertrauen in Christus getragen wird. Das Vertrauen in Christus ist viel tiefer gegründet als irgendein Vertrauen in unsere eigene Kraft. Wir müssen das LICHT garnicht erfinden. Es ist schon in unserer Welt. Wir können einfach nachfolgen… also hinterher gehen.
Dann wird sich Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit entfalten.
Amen