Predigt am 10.Juli in Calbe – j.kohtz
Gnade und Friede von dem, der wa war und der da ist und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
schon in der Brieflesung des heutigen Sonntags haben wir diese Worte aus der Apostelgeschichte im 2.Kapitel gehört. Ich lese sie in der Formulierung der „Gute-Nachricht- Bibel“:
„Sie alle widmeten sich eifrig dem, was für sie als Gemeinde wichtig war: Sie ließen sich von den Aposteln unterweisen, sie hielten in gegenseitiger Liebe zusammen, sie feierten das Mahl des Herrn, und sie beteten gemeinsam. Alle Menschen in Jerusalem wurden von ehrfürchtiger Scheu ergriffen; denn Gott ließ durch die Apostel viele Staunen erregende Wunder geschehen.
Alle, die zum Glauben gekommen waren, bildeten eine enge Gemeinschaft und taten ihren ganzen Besitz zusammen. Von Fall zu Fall verkauften sie Grundstücke und Wertgegenstände und verteilten den Erlös unter die Bedürftigen in der Gemeinde.
Tag für Tag versammelten sie sich einmütig im Tempel, und in ihren Häusern hielten sie das Mahl des Herrn und aßen gemeinsam, mit jubelnder Freude und reinem Herzen. Sie priesen Gott und wurden vom ganzen Volk geachtet. Der Herr aber führte ihnen jeden Tag weitere Menschen zu, die gerettet werden sollten.“
Als ich den Text las, habe ich mich gefragt: Was hat zu dieser Art des Zusammenlebens und Verhaltens der ersten Christengemeinden geführt. Und ich will in meiner Predigt auf drei Motive eingehen, die ich gefunden habe:
das Motiv der Vorfreude
das Motiv der Wichtigkeit (Relevanz)
die motivierende Kraft des Wortes Jesu
Liebe Gemeinde,
ich erinnere mich noch ganz gut an ein großes Fest in unserer Familie. Es war die Silberhochzeit meiner Eltern. Das schöne Ereignis warf schon längere Zeit seine Schatten voraus. Es musste ja einiges geplant und organisiert werden. Zum Beispiel die Gästeliste. Für die vielen Gäste musste Raum geschaffen werden. So wurden auch die Zimmer etwas umgeräumt, damit Platz war für die Festtafel. Es musste noch Stühle besorgt werden. Tischtücher wurden gemangelt und ausgeborgt, und Fauen aus dem Dorf kümmerten sich in der Küche um das leibliche Wohl. Hühner wurden gerupft, Gemüse geputzt und die Zutaten für das Dessert organisiert. Haben wir genug Geschirr? Gläser? Wer hilft beim Abräumen. Wer schenkt Getränke ein? Wie gestalten wir das Progamm des Tages? Wo übernachten unsere Gäste?
Viele Fragen und Aufgaben. Aber ich erinnere mich noch, dass Dank der Hilfe und dem Mittun vieler Leute aus dem Dorf aus diesem Tag ein schönes Fest wurde.
Ein besonderer Anlass bewegte viele Menschen, führte sie zusammen, schuf für Stunden eine neue Welt, die sich deutlich vom sonstigen Alltag unterschied.
So etwa lese ich den Text aus der Apostelgeschichte, in dem vom Zusammenwirken der ersten Gemeinde erzählt wird.
Was hat diese Menschen damals motiviert?
Ich sehe zunächst das Motiv der Vorfreude. Die Freude auf ein großes Fest, das Jesus ja selber noch angekündigt hatte. Gott wird mit uns ein Fest feiern! Ihr seid alle eingeladen. Dieses Fest ist wie eine große Hochzeit. – Und die Zuhörer damals erinnerten sich sicher an so manches Gleichnis Jesu. Von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25), oder von den Ehrenplätzen bei der Hochzeit (Lk.14), oder vom großen Abendmahl (Mt.22).
Jesus hatte große Hoffnungen bei seinen Zuhörern geweckt. Hoffnung auf Heilung, auf das Reich Gottes, auf Erlösung. Die Vorstellungen davon, dass diese Welt einmal durch das Kommen des Messias völlig verändert und erneuert weren würde, hatten die meisten Zeitgenossen Jesu schon seit Generationen. Aber mit dem Auftreten Jesu, mit seinen Predigten und seinem heilenden Wirken bekamen diese Hoffnungen neue Nahrung. Wichtig: Die Botschaft Jesu war eine Hoffnungsbotschaft. Die Vorfreude hat damals die Menschen motiviert, nicht irgend eine Angst. Ich betone das, weil das nicht selbstverständlich ist. Die Triebkräfte der Veränderung – heute sehe ich da viele negative Kräfte am Werk. Verlustängste, Kriegsängste, Wohlstandsängste…Viele dieser Ängste treiben heute die Menschen um. Grenzen werden dicht gemacht, Fremde mit Mißtrauen betrachtet, sogar das Geld ist nicht mehr sicher – die Banken zahlen kaum noch Zinsen… Und die letzte schöne Gelegenheit zum Feiern – die EM – hat letzte Woche auch einen Dämpfer erhalten, jedenfalls für uns Deutsche. Nun, ich hoffe, wir haben gleichwohl auch noch genug Gründe, uns freuen zu können!
Dennoch: Auch wir Christen können uns nicht der Sogwirkung von Ängsten entziehen.
Auch uns Christen treiben Ängste um. So dass ich mich frage, ob denn die FREUDE noch den ihr gebührenden Platz als Motivator unseres Handelns einnimmt. Die Freude, am Reich Gottes mit bauen zu dürfen! – ein schöner Gedanke! Aber eben nicht nur ein Gedanke!
Die ersten Christen fielen ihren Mitmenschen auf – was war es wohl, was die so glücklich ausschauen lies? Einige fragten nach und – so kann man es sagen – wurden angesteckt von der freudigen Erwartung der Christen. Bald merkte man: Diese Freude war kein Strohfeuer, es gab gute Gründe dafür.
Und hier nenne ich ein weiteres wichtiges Motiv der zusammenwachsenden Christengemeinde: Im neuen Glauben klärten sich mit einem Mal viele Dinge und Ansichten, die bisher für Verwirrung sorgten. Der neu gewonnene Glaube erlaubte es den Christen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Ein unglaublich wirksames Werkzeug war das – nicht nur für Unentschlossene, nicht nur für Orientierungslose, sondern auch für Nachdenkende, für Sinn-Suchende, für viele mit den Weltzuständen Unzufriedene. Hier verbindet sich das damalige starke Motiv auch mit Bewegungen unserer Zeit. Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden – das ist von zentraler Bedeutung in der Politik, in der sozialen Gestaltung unserer Gesellschaft, aber zuallererst für unser persönliches Leben. Angesichts der Botschaft vom kommenden Reich Gottes verblaßte alles egoistische Denken – Menschen begannen bereitwillig zu teilen; was ja auch heißt, dass sie die Bedürfnisse von anderen Menschen wahrnahmen – nicht als Konkurrenz oder Gefahr sondern als Aufgabe für sich selbst. Die Menschen damals waren fasziniert von der neuen Art zu leben, wie es diese seltsamen Christengemeinden probierten. Heute würden wir sagen: Der Lebensstil der ersten Christengemeinden entsprach überhaupt nicht dem mainstream, dem, was man zu Hause gelernt hatte. Was wichtig erschien, war es mit einem mal nicht mehr, was man bislang übersehen hatte, bekam neue Bedeutung.
Ich glaube, auch heute hat die Botschaft Jesu diese verändernde Kraft. Wer sich Zeit nimmt für sie, wird Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden lernen.
Ich will hier ein paar Zitate einfügen von einem Mann, der sich der Liebe Gottes ganz verschrieben hatte: dem großen Papst Johannes XXIII.
Er hatte eine Vielzahl von Briefen geschrieben. Aus ihnen stammen diese Zitate:
„Wenn ein gutes Beispiel gegenseitige Bruderliebe Im Dorf erhalten bliebe, wie der eine nicht auf mehr oder weniger schaut und sich bewusst ist, dass dort, wo strenger Gerechtigkeit aufhört, die Liebe beginnt, die Hochherzigkeit, die sich nicht bei Kleinigkeiten aufhält, wäre es eine große Erbauung und ein Segen..“
„Die Welt ist groß: Es gibt unzählige Wege, dem Herren zu dienen. Es gibt auch einen für Dich.“
„Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen, Das ist die beste Philosophie.“
Und damit bin ich bei einem weiteren Motiv – eigentlich dem Ursprungsmotiv, das die Christen damals angetrieben hat: Das Wort unseres Herrn. In unserem Bibeltext wird diese Rückbesinnung deutlich darin, dass es heißt: Sie beteten gemeinsam. Gemeinsam beten, sich unter das Wort Gottes stellen, sich hineingeben in dieses Wort – eine Erfahrung, die Welten verändert. Unsere eigene Welt, aber auch die Welt um uns herum. Beten – das führt uns dazu, andere und uns selbst mit den Augen Jesu zu sehen.
Wenn d a s passiert, ändert sich schlechthin alles! Nun – diese Formulierung (wenn – dann) deutet schon auf ein gewisses Kräftemessen hin, dem wir ausgesetzt sind. Denn der Weg hin zu dieser Lebensweise (Ausrichten am Wort Gottes- Gebetsgemeinschaft – tätige Nächstenliebe) ist so einfach in dem Wegewirrwarr damaliger und auch unserer Zeit nicht zu finden. Obwohl gerade in unserem Land Kirchtürme in jedem Ort wie Zeigefinger in den Himmel ragen, verbinden die meisten Menschen damit nicht mehr die Einladung, sich am Wort Gottes, an seiner Hoffnungsbotschaft zu orientieren.
Ich sage das ohne Vorwurf und schon garnicht mit erhobenem Zeigefinger. Die Welt ist wahrlich voll von Ablenkung – und man kann ja fast schon von Glück sagen, wenn es einem gelingt, in den Jahren seines eigenen Lebens hinter den Sinn gekommen zu sein. Sind Sie es?
Die Erinnerung an das Wirken der ersten Christengemeinden jedenfalls macht mir Mut, nicht zu schnell zufrieden zu sein mit den Gegebenheiten. Macht mir Hoffnung auf die Veränderungsfähigkeit von uns Menschen zum Guten. Stärkt meinen Glauben auf das Reich Gottes, das schon mitten unter uns ist! AMEN.